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Barbara Kramer DE

Die Geschichte einer juedischen Amerikanerin, die sich in Berlin mit ihrer Vergangenheit auseinander setzen muss und dabei die Stadt unerwartet lieben lernt.

Die vielen Facetten Berlins

Im Herbst 1983 war ich mit einer Freundin auf einer 6-wöchigen Europa Reise unterwegs. Unsere Reise hat uns letztendlich nach Berlin gebracht, wo wir im berühmten Hotel Kempinski übernachtet, in der Paris Bar gegessen und den Flohmarkt nach Schätzen abgesucht haben. Dort trafen wir zwei junge Berliner, die uns ausgeführt haben. Sie wollten uns die wilde Seite von Berlin zeigen und brachten uns nach Kreuzberg, um eine Band zu hören. Kurz nachdem wir diesen dunklen Saal betreten hatten, explodierte die Bühne in Lärm, die Band schrie vor Schmerzen, als sie ihre Gitarren spielten, die Menge tanzte wie verrückt und bald wurde ich von den anderen getrennt, meine Füße berührten den Boden nicht mehr. Schulter an Schulter mit Fremden, schwankte ich in diesem vulkanischen Ausbruch des Wahnsinns. Unsere beiden Begleiter durchquerten schließlich die Scharen von Menschen, packten unsere Hände und zogen uns zum Ausgang. Wir entdeckten, dass die Tür, durch die wir gekommen sind, jetzt verschlossen war. Zum Glück fanden unsere Begleiter einen weiteren Fluchtweg und retteten uns aus dem Wahnsinn. Die Jungs erklärten, dass die Tür verschlossen war, um die Menge davon abzuhalten, auf die Straßen zu strömen und Chaos zu verbreiten. Es muss jedoch einer entwischt sein, denn direkt vor uns, 300 Fuß entfernt war ein aufs Dach gedrehte Auto, das in Flammen stand. 

Seitdem bin ich einige Male nach Kreuzberg zurückgekehrt und obwohl das Gebiet zu einer der attraktiveren Nachbarschaften geworden ist, kann man noch immer Zeichen und Rückstände der wilden Tage sehen.

Auf dieser gleichen Reise beschlossen meine Freundin und ich Ost-Berlin zu besuchen und einmal durch Check Point Charlie zu laufen, wo wir gebeten wurden, 34 Westdeutsche Mark für Ostdeutsche Mark einzutauschen. Es war ein kalter und trostloser Tag im November und ich erinnere mich noch genau an die verlassenen Straßen, leere Schaufenster, einen Kopf Kohl im Lebensmittelmarkt und 3 Frauen in Chapeau's lokalem Hutladen. Die Straßen waren mit alten, verrosteten und schiefen Rohren verkleidet, als wären sie dazu gedacht, etwas zu werden, das niemals passiert ist. Mein Freundin und ich waren halb erfroren und suchten emotionale und körperliche  Zuflucht in einem nahe gelegenen Café. Sobald wir saßen, sahen wir uns an und erkannten unserer beider Gefühl von Angst und Vorahnung. Wir waren alleine in diesem kleinen Café und als der Kellner ankam, waren wir uns beide einig, dass wir nicht mal Appetit auf eine Tasse Tee hatten und verließen das Café. 

Die Zeit war langsam vergangen und die kalte Nacht rollte herein, so dass wir beschlossen, in den Osten zurückzukehren. Als wir am Check Point Charlie ankamen, fragte uns der Begleiter, wofür wir unser Geld ausgegeben hatten, und wir sagten nichts. Also öffnete er seine Hand, um unser Geld ein zu sammeln. Wir fragten, wo die nächste Bank ist und dachte, wir müssen die Ost-Mark wieder gegen West-Mark wechseln. Einmal in der Bank, erkannten wir, dass sie nicht die Absicht hatten, unser Geld zu wechseln gingen wieder hinaus. Wir überquerten den Platz zurück zum Check Point Charlie und gingen an einer alten Frau vorbei und hielten sie an. Ich schaute in ihre grauen, leeren Augen, nahm ihre Hand, drehte sie um und legte unser Geld in ihre offene Handfläche. Dann winkte ich mit meinen Pass und sagte: "AMERIKA, AMERIKA", behalten Sie das Geld. So wie wir weggingen, sahen wir die Frau noch immer steif gefroren wie eine Statue stehen und uns anstarren. Zurück im Check Point Charlie, fragte uns der Angestellt, ob wir bei der Bank waren. Wir sagten ja. Er fragte uns nach einem Dokument der Bank . Wir sagten, wir hätten keines. Dass wir das Geld nicht gewechselt, sondern einer alten Dame gegeben haben. Er schrie uns an, wir sollen uns setzen und stürmte aus dem Raum. Nun fingen wir an, ein bisschen Angst zu bekommen, dass wir nie daran gedacht haben, dass unsere Handlungen uns in Gefahr bringen könnte. Der Angestellte ließ uns im kalten Zimmer sitzen und kehrte rasch zurück. Dann hob er das Tor und schrie uns an zu gehen.

Wir liefen glücklich, fast springen durch das Tor und sangen, Gott segne Amerika den ganzen Weg zurück bishin zur Friedrichstraße. Diese ersten Tage in Berlin ließen mich zerschmettert und verzweifelt fühlen, meine deutsch jüdischen Wurzeln fühlen, überall wohin wir gingen. An meine Vorfahren denkend und die Hölle, die sie ertragen mussten. Alles fühlte sich für mich gefährlich an.  

Seitdem bin ich fast ein Dutzend Mal nach Berlin zurückgekehrt. Erst für die Arbeit und dann für das Vergnügen mit dem Fahrrad durch die breiten Straßen von Berlin zu fahren mit dem süßen Duft der Linden in der Nase. Die Stadt hat sich so sehr verändert. Im Gegensatz zu anderen Ländern, die auch Teil dieser wahnsinnigen Zeit waren, lebt Berlin nicht im Schatten seiner Vergangenheit, sondern schafft Kunst, die man sagen hört: "NIEMALS WIEDER, NIEMALS WIEDER, WIR HABEN ALLE DARAUS GELERNT ". Mittlerweile liebe ich diese Stadt, ihre öffentliche Kunst (Graffiti), die Kultur, Museen, Cafes, Bars, Clubs, Kanäle, das wechselnde Wetter, Menschen aller Generationen und Stils, die alle gemeinsam unter einem Dach essen, in der gleichen Kneipe Bier trinken und die Möglichkeit nutzen, an einem Freitagabend in einen Club zu gehen und bis Montag zu bleiben. Die Stadt erinnert mich daran, wie es war in den 80er Jahren in NYC zu leben, die Rauheit und das Gefühl von Abenteuer, aber mit einer viel anspruchsvolleren kulinarischen Szene!

Das Berlin von heute, bietet so viele Gefühle, so viel zu entdecken und so viel zu lieben. Jedem der fragt, sage ich Berlin ist meine liebste Stadt auf der Welt. Ich freue mich immer, wenn sie nach dem warum fragen und ich alte Erinnerung ausgraben kann.

Co-Founder der Modemesse Designers & Agents, ist eine wahre Naturgewalt, jemand der immer in Bewegung ist und sich dabei staendig neu erfindet. Sie ist fester Bestandteil der internationalen Modewelt und ihre 35+ Jahre lange Karriere reicht von Designer, Agent, Merchandiser, Manager, Lehrer, Sprecher, Berater, Kurator bis hin zu Messeproducer. Die gebürtige Chicagoerin lebt seit langem in Los Angeles und reist so oft sie kann nach Berlin.

Barbara Kramer

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